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28.05.2012

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte übt scharfe Kritik an der Forderung des Generalbundesanwalts, Fußballfans mit Hausarresten und elektronischen Fußfesseln zu belegen. Sie hat sich deshalb mit einem offenen Brief an die Bundesjustizministerin gewandt.

Anbei geben wir den Inhalt des offenen Briefs der AG Fananwälte wieder:

An die Bundesministerin der Justiz

Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB

 

Öffentliche Äußerungen des Generalbundesanwalts Range

Interview in der HAZ vom 25.05.2012 („Fußfesseln für notorische Hooligans“)

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

mit großer Verwunderung und Bestürzung haben wir zur Kenntnis genommen, dass der amtierende Generalbundesanwalt Harald Range öffentlich Maßnahmen gegen Fußballfans fordert, die mit den bestehenden Gesetzen nicht im Einklang stehen und inhaltlich an der Sache vorbeigehen. Das hat uns zu diesem offenen Brief veranlasst. In der „Arbeitsgemeinschaft Fanwälte“ haben sich bundesweit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zusammengeschlossen, die regelmäßig Fußballfans vertreten.

In einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 25.05.2012 (Kopie anbei) wird Generalbundesanwalt Range u.a. mit den Worten zitiert:

„Notorische Hooligans, die als Rowdys bekannt sind, könnten eine elektronische Fußfessel bekommen. Die müssen dann zu Hause bleiben“.

Offensichtlich fordert Generalbundesanwalt Range eine drastische und verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Änderung der Länder-Polizeiaufgabengesetze und – entgegen der momentanen Gesetzeslage (§ 68b Nr.12 StGB) und dem Konsens der Regierungsparteien – eine gravierende Erweiterung der sog. Elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Aufgrund des erheblichen Grundrechtseingriffs der „elektronischen Fußfessel“ – die sämtliche Bewegungen überwacht – ist diese nur unter strengen Voraussetzungen für wenige Einzelfälle der Schwerstkriminalität rechtlich zulässig.

Der Vorschlag des Generalbundesanwaltes zeugt von mangelnder Sachkenntnis.

Generalbundesanwalt Range unterstellt, dass es ein Problem bei der Durchsetzung von Platzverweisen und Stadionverboten gebe. Dies ist aus der Luft gegriffen. Tatsächlich gibt es – selbst bei den rechtsstaatlich bedenklichen privaten Stadionverboten – keine nennenswerten Schwierigkeiten mit deren Einhaltung.

Wider besseres Wissen behauptet der Generalbundesanwalt, der Polizei stünde derzeit lediglich die Maßnahme des Platzverweises zur Verfügung, um vermeintliche Störer von Spielorten fernzuhalten. Dies ist unzutreffend. Vielmehr stellen die Polizeigesetze den Polizeibehörden ausreichende grundrechtseinschränkende Maßnahmen zur Verfügung, die in der Vergangenheit bereits inflationär gegen vermeintliche «Fußball-Störer» zur Anwendung kamen.

Eine Erforderlichkeit weiterer polizeilicher Instrumente zur Abwehr von Störungen von Fußballspielen ist daher nicht zu erkennen. Die elektronische Fesselung eines vermeintlichen Störers würde dessen Menschenwürde erheblich verletzen und außer Verhältnis zu den gefahrenabwehrrechtlichen Interessen stehen, die in Zusammenhang mit der Durchführung von Fußballspiel-Veranstaltungen zu besorgen sind. Ein derartiger gravierender Grundrechtseingriff wäre völlig unverhältnismäßig.

Daher kann die Forderung des Generalbundesanwaltes nur als Begehrlichkeit interpretiert werden, das Portfolio freiheitsrechtsbeschränkender polizei-präventivlicher Maßnahmen insgesamt zu erweitern. Dass die in den vergangenen Monaten aufgeflammte öffentliche Debatte über die vermeintliche Zunahme von «Fußballgewalt» hierzu zum Anlass genommen wird, erscheint insoweit als populistisches Manöver.

Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, als der Generalbundesanwalt seine Forderungen ersichtlich außerhalb seines sachlichen Kompetenzbereiches erhoben hat. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes liegt bei der Strafverfolgung für spezielle und schwerwiegende Delikte aus dem Bereich Staatsschutz und Terrorismus (§ 120 Abs.2 GVG).

Wir bitten Sie höflichst um Mitteilung, ob die Äußerungen des Generalbundesanwalt Range die Meinung Ihres Ministeriums wiedergeben und ob Sie der Auffassung sind, dass sich der Generalbundesanwalt zu Maßnahmen gegen Fußballfans äußern und Gesetzesvorschläge für Länder-Polizeigesetze machen sollte.

Sollte dies nicht der Fall sein, so bitten wir Sie, den Generalbundesanwalt Range im Wege der Dienstaufsicht anzuweisen, derartige Äußerungen zu unterlassen.

Ergänzend bitten wir Sie auch um Mitteilung, ob die genannten Äußerungen die Meinung Ihrer Partei FDP wiedergeben, der auch der Generalbundesanwalt Range angehört.

 

Mit freundlichen Grüßen

AG Fananwälte

 

(Nürnberg, 28.05.2012)